21.11.2022
Weifest 2022

Was zählt künftig in der Politik: Kompetenz oder Quote?

 

Auch wenn Politik zum Alltag gehört, es gibt herausragende Termine im Jahresverlauf. Dazu zählen das Dreikönigstreffen, das Derblecken auf dem Nockherberg und in Herrieden das Weinfest der FREIEN WÄHLER. In diesem Jahr stand dort das politische Thema „Kompetenz und Quote - wohin steuert die Politik?“ auf dem Programm. Im Vorfeld des Landtagswahlkampfes ein mutiges Thema, das im Rahmen einer Podiumsdiskussion bearbeitet wurde. Zu Wort kamen vier FW-Frauen aus drei Generationen. Das Fazit: Kompetenz hat sich schon bisher durchgesetzt.

„Die Frauenquote in der Politik kritisch zu hinterfragen, das traut sich außer mir offen kaum einer – doch es muss halt gemacht werden“, stellt Christian Enz zu Beginn des diesjährigen Weinfestes im Hotel Bergwirt fest. Angesichts der aktuellen, inzwischen für Land und Lebensstandard existenzbedrohenden Krisen ist es aus Sicht des Vorsitzenden, der als Moderator durch den Abend führte, höchste Zeit, über Qualität in der Politik zu reden. „Angesichts von Merkel, Baerbock oder von der Leyen müssen wir zwei Dinge feststellen: Es ist nicht so, dass Frauen in der Politik keine Chance haben. Ebenso stimmt es nicht, dass Frauen automatisch bessere Politik machen,“ meint Christian Enz. Trotzdem macht es der Zeitgeist für politische Parteien zu einem Mehrwert, möglichst viele Frauen nach vorne zu bringen – oft auch ohne passende Qualifikation. „Bei Baerbock und Lang wurde dies auch durch die CSU scharf kritisiert. Allerdings sind Politiker, die vom Kreißsaal über den Hörsaal direkt in den Plenarsaal wollen, inzwischen auch bei den Konservativen salonfähig. Obwohl jeder weiß, dass Lebens- und Berufserfahrung für gute politische Arbeit zentral sind“.

Um zu klären, ob er mit seiner Meinung richtig liegt, lud Enz beim diesjährigen Weinfest zu einer Podiumsdiskussion. Zu den Gästen zählt mit Gertrud Herrmann ein Urgestein Herrieder Kommunalpolitik. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern der FREIEN WÄHLER, ist bereits seit Anfang der 1970er Jahre dabei. Von ihr will der Vorsitzende wissen, ob für sie der Einstieg in die Politik damals als Frau im ländlichen Raum besonders schwer war. Zur Überraschung vieler Zuhörer verneint sie. „Das Geschlecht war überhaupt kein Thema. Wichtig war: Es gab damals im Stadtrat nur eine Partei – das wollten wir ändern. Mir war dann noch wichtig an keine Parteilinie gebunden zu sein. Ich wollte meine Einstellung einbringen können – und da waren die FREIEN WÄHLER Herrieden bis heute nicht verkehrt.“

Ihren Eintritt in die FREIEN WÄHLER hat auch Gaby Rauch nicht bereut. Die heutige Stadträtin kam durch ihren Vater in Politik und Gruppierung. Auch sie verspürte beim Einstieg als Frau keinen Nachteil. „Ein Problem war jedoch mein Alter. Als ich das erste Mal kandidiert habe, hieß es überall: Mit 18 in den Stadtrat, das geht auf keinen Fall. Mir war also klar, dass ich es im ersten Anlauf nicht schaffe“. Bedauerlich war, so erinnert Christian Enz, dass es dann auch auf den zweiten Anlauf nicht geklappt hat. „Wollten Herrieden oder die FREIEN WÄHLER dann doch keine Frau im Rat?“ Nein, sagt Gaby Rauch. Vielmehr lag es daran, dass die Wähler sie nicht auf dem Wahlzettel gefunden hatten. „Alle kannten mich unter dem Namen Killian – ich hatte aber geheiratet und es ist nicht erlaubt, den Geburtsnamen auf dem Wahlzettel mit anzugeben. Das finde ich bis heute ungerecht. Hier eine Änderung vorzunehmen wäre sinnvoller, als über eine Quote zu debattieren.“

Letzten Endes ist Rauch jedoch froh, nicht bereits in jungen Jahren in den Rat gekommen zu sein. „Politik ist kein Handwerk, dass sich lernen lässt. Entscheidend ist, außerhalb des Stadtrates Lebenserfahrung zu sammeln und diese dann mit einzubringen. Wichtig ist, gut mit Menschen umgehen zu können. Diese Kompetenz muss man sich über Jahre erarbeiten.“ Deshalb freut sich Gaby Rauch, dass inzwischen auch ihre Tochter Maria bei den FREIEN WÄHLERN eingestiegen ist. „Seit vielen Jahren bin ich im Diözesanvorstand des BDKJ aktiv und möchte nun auch meine Heimat mitgestalten“, betont Maria Rauch. Auch aus ihrer Sicht spielen Alter und Geschlecht keine Rolle. „Damit man als junge Frau ein Mandat ausüben kann, müssen aber die Rahmenbedingungen passen.“ Beispielsweise tagt der BDKJ-Vorstand nicht vormittags, weil zahlreiche Mitglieder dazu Schule, Studium oder Arbeit müssen. „In der Politik finden Sitzungen aber auch dann statt, wenn ich arbeiten müsste oder es keine Kinderbetreuung gibt. Die Sorge, wie das dann laufen kann, schreckt viele meiner Freundinnen ab, auch politisch aktiv zu werden.“ Angesprochen auf eine Frauenquote runzelt Maria Rauch die Stirn. „Wollen wir dann auch für das dritte Geschlecht eine Quote? Und was machen wir, wenn sich keiner zur Wahl stellt, der zur Quote passt?“ Nein, als Stimme der Jugend vertritt sie bei der Podiumsdiskussion einen pragmatischen Ansatz. „Niemand darf benachteiligt werden. Doch Eignung sollte im Mittelpunkt stehen.“ Dies sieht auch Christian Enz so. „Als 1948 das Grundgesetz geschaffen wurde, wollte man im Eindruck des Dritten Reiches Minderheiten besonders schützen. Niemand hat damals daran gedacht, dass überbordender Minderheitenschutz zum Geschäftsmodell werden kann. Tatsächlich ist es heute so, dass aus Rücksicht auf unzählige Minderheiten die Mehrheit hinten runterfällt.“

Eine These, die Dr. Claudia Lorentzen nicht stehen lassen möchte. Sie selbst kandidierte 2008 für das Amt der Bürgermeisterin in Herrieden, aber der damals junge amtierende Bürgermeister saß noch fest im Sattel. Sie hatte als stimmenstärkste Stadträtin trotzdem einen guten Einstieg in die Politik und in neun Jahren Oppositionsarbeit im Herrieder Rat sehr viel gelernt. Diese Erfahrung möchte sie nicht missen: „Ich kann es jedem nur empfehlen – und gerade für Familien wird gerade auf der kommunalen Ebene sehr viel initiiert und entschieden. Gerade als Frau kann ich hier mitgestalten, ich erinnere mich gerne an den Ausbau der Kindergärten und Krippen sowie an den Glasfaserbau. Bevor ich in den Rat gewählt wurde, hat sich in Herrieden hier wenig bewegt, da die älteren, meist männlichen Stadträte – so meine Perspektive – die aktuellen Herausforderungen junger Familien nicht wahrgenommen hatten.“ Aber egal ob in Politik oder in Unternehmen, laut Berechnungen sei eine Frauenquote aktuell in Deutschland nötig, um auch Frauen die Chance zu geben, mitentscheiden zu dürfen. „Ohne Frauenquote hätten wir erst in 200 Jahren Parität in Politik und im Management von Unternehmen. So lange möchte ich – auch für meine Töchter – nicht warten – auch wenn das für erfahrene Männer aktuell eine gefühlte individuelle Benachteiligung darstellen könnte.“ Frauen wird noch zu wenig zugetraut. Aus Prinzip, so Dr. Lorentzen, wähle sie selbst auch nur Frauen – und fordert andere Frauen dazu auf, es ihr gleich zu tun. Tatsächlich sehen die FW-Frauen das Wahlverhalten von Frauen als Hauptursache dafür, dass es nur wenige Frauen mit Mandat gibt. „Liegt es daran, dass wir anderen Frauen gegenüber zu kritisch sind? Oder dass unter Frauen der Neid größer ist? – ich weiß es nicht. Aber es stimmt, Frauen könnten stärker Frauen wählen“, ist auch Gaby Rauch überzeugt. „Auch sich selbst müssen Frauen mehr zutrauen.“

Allerdings darf das Geschlecht nicht mehr Bedeutung bekommen, als die Eignung einer Person. Denn egal ob wir an die letzte britische Premierministerin denken oder an die Bürgermeisterin von Leutershausen, das Geschlecht garantiert nicht die optimale Besetzung. Im Gegenteil, schwache Quotenfrauen bringen gute Politikerinnen ebenfalls in schlechtes Licht.

Dabei ist es doch für unserer Gesellschaft wünschenswert, dass kompetente Frauen Lebenserfahrung und Know-how stärker in die Politik einbringen.