20.11.2023
Enttäuschung verständlich, Verhalten unangemessen

FREIE WÄHLER können Verhalten von Jechnerer nachvollziehen – Bürgermeisteramt beschädigt

 

HERRIEDEN – Die Idee eines Bürgersaals im Stadtschloss wird nun im Detail ausgeplant. Dies entschied Herriedens Stadtrat in seiner letzten Sitzung – gegen den Willen Dorina Jechnerers. Ihre Enttäuschung darüber ist für den FW-Ortsverband verständlich. Die Tatsache, dass das Stadtoberhaupt im Nachgang von undemokratischen Verhalten spricht, verwundert hingegen und beschädigt das Bürgermeisteramt.

„Dass andere Fraktionen unserem Vorsitzenden die Kompetenz zuschreiben, mit einer gesunden Mischung aus diplomatischem Geschick und Beharrlichkeit Mehrheiten zu beschaffen, ist höchst schmeichelhaft“, erklärt Gaby Rauch. Über den Vorwurf, Christian Enz würde eine Debatte abwürgen, kann die Baustadträtin der FREIEN WÄHLER indes nur schmunzeln. „Wer die Sitzungen der letzten Jahre verfolgt, weiß, dass wir keiner Diskussion aus dem Weg gehen.“ Dies sieht Christian Enz ähnlich und ist überzeugt davon, dass irgendwann einmal eine Entscheidung fallen muss. „Dieser Moment war in Bezug auf das Stadtschloss in der letzten Sitzung gekommen. Dies war auch die Meinung von Bürgermeisterin Jechnerer, die zu Beginn der Sitzung selbst betont hatte, dass es nun weitergehen müsse – und sie deshalb das Streben nach einer einstimmigen Lösung aufgäbe.“ Allerdings, so vermutet Enz, habe Jechnerer auf eine Mehrheit gehofft. „Als diese nach langer Debatte nicht zu erwarten war, wollte sie auf Zeit spielen und die Abstimmung auf Dezember vertagen – in dem Wissen, dass dann Ratsmitglieder fehlen werden“, sagt Enz und verweist dabei auf die aktuelle Sendung des Stadtrats-TV. Dort ist diese Aussage deutlich zu hören. Für die FREIEN WÄHLER plante Jechnerer einen Taschenspielertrick, dem Enz mit einem Antrag zur Geschäftsordnung zuvorkam. „Dies war kein undemokratisches Abwürgen einer Debatte, sondern das Herbeiführen einer sinnvollen Mehrheitsentscheidung mit allen 20 Stadträten und der Bürgermeisterin.“ Zumal die Diskussion bereits seit Jahren geführt wird und sich im Ratsinformationssystem allein seit 2014 mehr als 270 Dokumente hierzu finden.

Wichtiger als das Zustandekommen der Abstimmung ist aus Sicht der FW-Fraktion jedoch das Ergebnis. „Es ist richtig, dass die weitere Sanierung des Stadtschlosses für die Bürgerinnen und Bürger mit einer großen finanziellen Belastung einher geht“, betont Enz. Falsch ist hingegen die Darstellung, dass die Nutzung des Stadtschlosses als Rathaus finanzielle Vorteile gebracht hätte. Tatsächlich hatte Projektsteuerer Ziegler in der Sitzung für beide Konzepte nahezu identische Sanierungskosten prognostiziert. Deutliche Unterschiede wurden allerdings bei den künftigen jährlichen Unterhaltskosten vorgerechnet. Hier, so bedauert Enz, wurde die Lösung mit Bürgersaal bewusst schlecht gerechnet. „Hier hat der Planer mit jährlichen Re-Investitionen zu vollem Werterhalt kalkuliert, was abseits jeglicher Praxis ist. Im Gegenzug hat er die Variante Rathaus mit fiktiven Mieteinnahmen für das alte Amtsgericht aufgehübscht.“ Ein ähnliches Vorgehen zeigte sich bei der Raumberechnung. Vor Jahren hatte Projektsteuerer Ziegler noch Zweifel, dass der im Schloss zu realisierende Büroraum für die Verwaltung ausreiche. „In seiner neuen Berechnung geht es sich fast bis auf den Quadratmeter genau aus“, wundert sich Gaby Rauch. Beide Aspekte mögen aus Sicht der FREIEN WÄHLER formal korrekt sein. „Es zeigt jedoch deutlich, dass wir Räte auf Aussagen von Experten nicht blind vertrauen können. Wir müssen alles noch einmal kritisch hinterfragen – denn beauftragt werden die städtischen Berater durch die Bürgermeisterin. Auch hier gilt, „wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe“, mahnt Enz.

„Insgesamt stochern wir jedoch nach wie vor ziemlich im Dunkeln“, weiß Gaby Rauch. „Natürlich hätten wir uns vor der Entscheidung detaillierte Kostenrechnungen und belastbare Nutzungskonzepte gewünscht. Aber das geht nicht ohne aufwändige, teure Planung.“ Deshalb musste nun eine Richtungsentscheidung getroffen werden. Bei der stand für die FW-Fraktion die Frage der Finanzierbarkeit im Raum. „Hätten wir uns für die Rathaus-Variante entschieden, hätte die Sanierung in kürzester Zeit erfolgen müssen. Denn ein Rathaus kann man nicht in Etappen bauen – das muss fertig sein und dann ziehen alle schnellstmöglich um“, weiß Enz. Für die Stadt hätte dies bedeutet, der volle Eigenanteil an den Sanierungskosten hätte innerhalb von zwei Jahren aufgebracht werden müssen, eine Summe von aktuell schätzungsweise 10 Mio. Euro. „Aktuell berichtet die Bürgermeisterin auf den Bürgerversammlungen stolz, dass wir in den letzten zehn Jahren 3 Mio. Euro für Großprojekte ansparen konnten. Dies zeigt: Das Rathaus im Schloss hätte unsere gesamte Liquidität gefressen. Es gäbe keinen Spielraum mehr für andere wichtige Investitionen“, so Enz. „Die Variante Bürgersaal lässt sich hingegen nach Kassenlage schrittweise realisieren“, unterstreicht Rauch. Argumente, die auch den FW-Vorstand überzeugt haben – weshalb dieser seine Fraktion einstimmig beauftragte, das Konzept Bürgersaal zu verfolgen. „Als kleinste Gruppierung haben wir mit Verkehrskonzept, Landesgartenschau und nun Stadtschloss die wichtigsten Entscheidungen der letzten Jahre maßgeblich mitgestaltet. Diese politische Fortune tut unserer Stadt gut.“

Nun, so mahnt Enz, müsse das Projekt Bürgersaal auch zum Erfolg geführt werden. „Hier sagen wir ganz klar: Die aktuellen Planungen überzeugen uns nicht.“ Hintergrund ist, dass im Streben nach einem parteiübergreifenden Kompromiss zu viele Ideen eingeplant wurden. „Jetzt steht der Saal im Zentrum. Wir können Aufzüge und Treppen neu planen um alle Anforderungen für einen Saal mit mehr als 300 Besuchern zu realisieren“, entgegnet Enz dem Einwand feuerschutz-polizeilicher Hürden. „Natürlich brauchen wir auch ein Parkraumkonzept – aber das ist uns die Bürgermeisterin ohnehin seit drei Jahren schuldig und Verbesserungsvorschläge hierzu werden auf die lange Bank geschoben.“